Samstag, 9. Mai 2009

Vergewaltige mich am richtigen Platz!

Bis ich circa elf Jahre alt war habe ich nicht intensiv Musik gehört. Ich hörte einfach das, was gerade im Radio lief oder auf den Musiksendern gespielt wurde und war für alles offen - ein Weichspüler. Zum Glück, stelle ich rückblickend fest, entdeckte ich damals Nirvana für mich, obwohl die Band da schon seit sieben Jahren nicht mehr existierte. Mein Einstieg in die Rockmusik. Und auch erst ab da wurde Musik ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Der Song, der es mir angetan hatte, war aber nicht "Smells Like Teen Spirit", durch den wohl die meisten diese Band kennen, sondern "Rape Me". Mit diesem Song begann quasi meine musikalische Identität.


Der nächste Schritt war, dass ich die Fähigkeit des intensiven Musikhörens erlangte. Beim intensiven Musikhören gibt es nur die Musik und dich. Nichts anderes. Du kannst beurteilen, ob das Lied komplex ist, du verstehst, wieso der Gitarrist wann welches Riff spielt, was sich die Bandmitglieder wohl beim Schreiben der Musik dachten, du verstehst die Idee hinter dem Song und du kannst mit Sicherheit sagen, ob dir das Lied gefällt oder nicht, vielleicht sogar warum.


Irgendwann kann ein Zeitpunkt kommen, an dem ein Lied totgehört ist. Es fällt einem danach schwer das Lied weiterhin intensiv zu hören, da man damit bereits in die tiefsten Tiefen seines Inneren gegangen ist. Ich war so vernarrt in Nirvana, dass ich es fertigbrachte diese großartige Band komplett totzuhören.

"Das einzige, woran ich den ganzen Tag denken kann, ist Two-Face zu schnappen.
Er hat mein Leben zerstört. Als ich da draußen war heute Nacht, dachte ich er sei es gegen den ich kämpfe, selbst als ich gegen dich kämpfte. Und all der Schmerz verschwand. Verstehst du das?" - "Ja, das tue ich." - "Gut, denn du musst mir helfen ihn zu finden. Und wenn wir ihn gefunden haben werde ich es sein, der ihn tötet." - "Also bist du dazu bereit ein Leben zu nehmen?" - "Solange es Two-Face ist..." - "Fein. Dann wird folgendes passieren: Du tötest ihn, aber dein Schmerz stirbt nicht mit ihm, er wird wachsen. Dann wirst du in die Nacht flüchten, um Ersatz zu suchen. Wieder, und wieder, und wieder. Und eines schrecklichen Morgens wirst du aufwachen und feststellen, dass Rache das einzige ist, das dir in deinem Leben noch geblieben ist, aber du weißt nicht warum." - "Du verstehst das nicht. Deine Familie wurde nicht von einem Irren umgebracht." - "Doch, das wurde sie. Wir gleichen uns."


Seit Nirvana ist viel passiert, und mein Musikgeschmack hat sich im Allgemeinen mehrmals relativ stark verändert. In meiner ersten richtigen "Phase" hörte ich Bands, deren Musik man heute pauschal als Mainstreamrock bezeichnen könnte; Linkin Park, Limp Bizkit, System Of A Down. Aber auch Böhse Onkelz. Aber auch Dishwalla. Da war ich um die 14 Jahre alt.


Zu dieser Zeit erreichte ich die nächste Stufe des intensiven Musikhörens: den "Ohrgasmus", eine Art mentaler Orgasmus, hervorgerufen durch Musik.


Mit den Jahren erweitere sich mein Bewusstsein (Wohl einer der wenigen positiven Aspekte der Pubertät.). Ich war in der Lage schneller und mehr Bands zu finden und deren Musik zu bekommen. Dem Internet sei Dank. Ich entschied zunächst, ob mir die Musik der jeweiligen Band gefällt, um dann gezielt mein Musikrepertoire zu vergrößern.


Die Bands meiner ersten Phase verschwanden zusehends aus meinem Winamp und meinem MP3-Player. Durch die Entdeckung von Last.fm (http://www.lastfm.de/home) konnte ich diesen Prozess des Musikfindens noch einmal beschleunigen. Das Genre Emocore, mit Bands wie Story Of The Year, Funeral For A Friend oder The Used beherrschte damals mein Musikhören. Diese Phase dauerte relativ lange an. Mit 16 Jahren war das in etwa, und es kamen weitere Emocorebands wie Saosin, Alexisonfire, Finch oder A Static Lullaby hinzu. Diese Phase war jedoch gemischt mit etwas Punk (Rise Against, ZSK) und immer noch Böhse Onkelz.


Mit den Ausläufern dieser Phase verband sich die Nächste; Post-Grunge und Alternative Rock. Breaking Benjamin, Creed, Cold, Staind oder Papa Roach waren in dieser Zeit meine Helden. Meine Ohrgasmen wurden in dieser Phase etwas intensiver. (17/18 Jahre)


Ab diesem Zeitpunkt ist es für mich kaum noch möglich die Entwicklungen mit großgefassten Phasen zu beschreiben. Es waren viel mehr viele kleine Phasen, die ich hatte, und habe auch vieles durcheinander gehört; Postcore (Thrice, A Day To Remember), Trip Hop (Massive Attack, Morcheeba), Pop-Rock (Incubus, Lifehouse), Progressive Rock (Dredg, Oceansize) und eine ziemlich "eigene" Band namens Anathema, deren Musik man vielleicht als "Melancholic Alternative Progressive Rock" umschreiben könnte. Dieser Zeitraum war auch das Ende für Böhse Onkelz. Sie hielten sich lange, aber irgendwann ist auch so eine Band mal ausgehört.


Danach, circa Ende 18, kam jedoch wieder eine Zeit, die ich als große Phase bezeichnen kann: Post-Rock: Mogwai, God Is An Astronaut, Sigur Rós, Isis, Red Sparowes...Und obwohl diese Phase jetzt schon etwa ein Jahr andauert, ist kein Ende in Sicht, und ich wüsste auch nicht, was als nächstes kommen könnte.


Wobei...meine neuste "Entdeckung", Radiohead, könnte sich durchaus langfristig in der Top 20 oder Top 10 meiner Last.fm-Charts festsetzen. Ich kannte sie Band natürlich vom Namen her schon eine Weile, aber ich hatte erst neulich das Verlangen sie zu hören. Als Einstiegsdroge fungierte der Song "Everything In Its Right Place" - Der Song, der am Anfang von Vanilla Sky gespielt wird.


Ein Prozess, der mit "Rape Me" begann und sich mit "Everything In Its Right Place" auf einer unbestimmten Etappe befindet. Ich bin wirklich gespannt, wie sich mein Musikgeschmack in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird und ob es mir auf den Sterbebett gelingt einen Songtitel zu benennen, der meine musikalische Selbstfindung abschließt. Ob dieser Song wohl schon geschrieben wurde? Ob ich wohl mit 30 immer noch so viel und gerne Musik hören werde? Mit 50? Mit 100? Werde ich überhaupt 50? 20?


Vielleicht höre ich ja irgendwann mal Free Jazz oder Avantgarde. Vielleicht aber auch Techno und Elektro. Charts-Pop und alles im Bereich Hip Hop/RnB kann ich aber zu 99% ausschließen.


Ich höre jetzt mal wieder "Rape Me" und danach "Everything In Its Right Place". Könnte ein komisches Gefühl geben.

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